Ab Mitte 40 beruflich neu durchstarten

Von der Meistertischlerin zur kreativen Fachtrainerin: Wie eine berufliche Um- und Neuorientierung mithilfe guter Aus- und Weiterbildung gelingen kann, lebt Evelyn Wuntschek vor. Sie erzählt offen über Chancen und Herausforderungen.

Ein Beruf für das ganze Leben? Das kommt heute eher selten vor. Immer wieder müssen sich die Menschen beruflich neu finden und auf Veränderungen einstellen. Manchmal aus wirtschaftlichen Gründen, manchmal aus gesundheitlichen Gründen. Manchmal freiwillig und manchmal vom Schicksal dazu gezwungen. Gerade in der zweiten Hälfte des Berufslebens kann das zu einer großen Herausforderung werden. Eine, die das selbst erlebt hat, ist Evelyn Wuntschek.

Vor 36 Jahren schloss sie den Meisterbrief mit pädagogischen Lehrlingsausbildner für das Tischlerhandwerk ab und arbeitete viele Jahre in diesem Beruf. Aufgrund wirtschaftlicher und körperlicher Probleme musste sie vor 19 Jahren von der körperlichen Tätigkeit auf eine erfahrungs- und wissensbasierte Arbeit umsatteln. Sie wurde psychosoziale Betreuerin.

Der Weg von der handwerklichen Arbeit, stärker in Richtung Mensch und persönlicher Betreuung, weckte immer mehr mein Interesse an meiner beruflichen Umorientierung.

So entschloss sie sich eine sechssemestrige Ausbildung zur diplomierten Mal- und Gestalttherapeutin zu machen. Das konnte sie gut mit ihrer Leidenschaft für das Material Holz verbinden. Aber es fehlte noch etwas an Know-how. Also machte sie zusätzlich eine Ausbildung zur Fachtrainerin. Heute setzt sie all ihre Erfahrungen und Fähigkeiten als Fachtrainerin im WIFI ein und arbeitet mit unterschiedlichen Altersgruppen.

Ausbildung als Basis für Neuausrichtung

Wie Evelyn Wuntschek geht es vielen ab 40. Sie sehnen sich nach einer Arbeit, die körperlich gut bewältigbar ist, Wertschätzung und Sicherheit bietet. Doch eine berufliche Neuausrichtung in Richtung erfahrungs- oder wissensbasierte Tätigkeit gelingt nur, wenn entsprechendes Wissen aufgebaut wird. Verschiedene Aus- und Weiterbildungen sowie Zertifikate sind dabei wichtige Bausteine. „Ich hatte am Anfang keine Orientierung und wusste nicht, in welche berufliche Richtung ich mich weiter entwickeln sollte. Mir war nur eines klar: Eine berufliche Neuausrichtung kann nur auf einer guten, fundierten Ausbildung stattfinden“, erzählt Wuntschek. So hieß es wieder mit dem Lernen zu beginnen und alles mit dem Vorwissen sowie den Fähigkeiten aus den Vorberufen zu verknüpfen. Keine leichte Aufgabe.

Zeit fürs Entwickeln geben

Selbstzweifel und viele Fragen plagten sie. Bekomme ich noch einmal einen Job in meinen Alter? Und wird er auch den eigenen Vorstellungen entsprechen? Dazu kommen finanzielle Aspekte und organisatorische Umsetzung. Berufsbegleitende Ausbildungen an Wochenenden sind zeitaufwendig und kräftezehrend. Momente der Orientierungslosigkeit und Verunsicherung gehören zu diesem Veränderungsprozess. Heute setzt Wuntschek mit ihrem Unterricht genau hier an und bietet Möglichkeiten sowie Werkzeuge, um zu lernen mit dieser Situation umzugehen und sie als Chance für einen Neuanfang wahrzunehmen. „Alles im Leben, jede Ausbildung und vor allem jede Entwicklung braucht Zeit“, weiß Wuntschek aus eigener Erfahrung. Deshalb zeigt sie für ihre Kursteilnehmer Verständnis und Geduld.

Mit dem Lernen kam Mut und Freude

„Ich dachte mir immer, das kann nicht alles gewesen sein. Ich hatte eine Verantwortung meinen Kindern gegenüber. Ich wollte stark bleiben, Stärke vorleben, erreichbare Ziele setzen, nicht aufgeben und es natürlich auch mir selbst gegenüber beweisen“, erinnert sich Wuntschek. Ihr Wissensdurst und ihre Neugierde waren der Antrieb. „Je mehr ich mich auf Wissen und Bildung einließ, umso mehr empfand ich Mut, Freude und Tatendrang. Selbstverständlich stärkte es auch mein Selbstbewusstsein. Und genau daraus ergab sich dann eine Leichtigkeit, den nächsten Schritt zu setzen. Allein der Gedanke meinen Berufswunsch auszuleben, war für mich mein Motivator.“

Jetzt kann sie anderen beratend zur Seite stehen. „Es bereitet mir große Freude. Ich kann Menschen in der Umorientierung folgendes mitgeben: Fachliche Kompetenz und gute Ausbildung spielen eine große Rolle. Getrau dich aufzuzeigen, was deine Vorstellungen sind, wage es über den Tellerrand hinauszuschauen, habe den Mut und nutze die Chance Neues zu beginnen. Und immer noch begegne ich beim WIFI helfenden Kollegen, was ein großer Segen war und ist.“ Als nächstes Projekt eröffnet sie den Onlineshop „Bunter Holzwurm“ mit selbst hergestellten lebensfrohen Holzprodukten.

Wie die Wirtschaft profitieren kann

Sich im Beruf von körperlichen Tätigkeiten hin zu vermehrt erfahrungs- oder wissensbasierten Aufgaben weiterzuentwickeln, kann für Beschäftigte und Firmen gleichermaßen gewinnbringend sein. Für den Arbeitnehmer kann es bedeuten, den eigenen Fähigkeiten und Ansprüchen entsprechend eingesetzt zu werden. Positive Selbstwahrnehmung, Leistungsmotivation, Anerkennung und Wertschätzung sind die Folge. Mitarbeiter, die sich am richtigen Platz fühlen, bleiben gesünder und engagierter. Für das Unternehmen bedeuten Kompetenz und ehrliches Engagement der Mitarbeiter einen massiven Wettbewerbsvorteil.

Um die persönliche Entwicklung zum erfahrungs- und wissensbasierten Leistungsträger zu unterstützen, braucht es aber auch digitale Kompetenzen, um sich in der digitalisierten Welt bewegen zu können, Verständnis über die Funktionsmechanismen der Arbeitswelt 4.0 und nachgewiesene fachliche Grundlagen wie Zertifikate und Ausbildungsabschlüsse, um sich gleichberechtigt und anerkannt unter Jüngeren zu bewegen.

Erfahrungswissen, strategisches Denken und Entscheidungsfähigkeit sind Kompetenzen, die Mitarbeiter vor allem in der zweiten Hälfte ihres Berufslebens auf allen beruflichen Ebenen vorweisen und ausschöpfen können. Bei der Um- und Neuorientierung kann darauf aufgebaut werden. Das WIFI bietet viele Weiterbildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten für diese persönliche Um- und Neuorientierung im Beruf.

Foto von Evelyn Wuntschek persönlich zur Verfügung gestellt
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