• Berufsreifeprüfung WIFI Kärnten

Ein neuer Weg – Abenteuer Berufsreifeprüfung

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Johanna Legenstein war lange der Überzeugung, dass der in jungen Jahren eingeschlagene Karrierewege in Stein gemeißelt ist. Nach Jahren im Tourismus hat Legenstein den mutigen Schritt gewagt, einen neuen Weg zu gehen. Im WIFI Interview erzählt sie vom Abenteuer Berufsreifeprüfung.

Manchmal gehen Pläne nicht so auf, wie erhofft. So erging es auch Johanna Legenstein. Nach ihrer Ausbildung in der Hotelfachschule Bad Gleichenberg zog es die junge Steirerin nach München. Dort wurde ihre Ausbildung allerdings nicht ausreichend anerkannt. Aber sie ließ sie sich nicht entmutigen und ging nochmal eine Lehre zur Restaurantfachfrau an. Danach führte sie ihr Weg an eine Rezeption in Salzburg und sie merkte, dass dieser Karriereweg doch nicht das ist, was sie sich erhofft hatte. Erste Gedanken an eine Berufsreifeprüfung kamen auf, aber der Job im Tourismus ließ es zeitlich einfach nicht zu. So ging die Reise weiter nach Kärnten. Hier begann sie eine Arbeit, bei der sie viel mit Rechtsakten zu tun hatte – und eine Arbeit, die sich mit der Berufsreifeprüfung verbinden ließ.

Das „Outing“

Im Herbst 2020 war es dann soweit – Johanna Legenstein startet höchstmotiviert mit Kursen für die Berufsreifeprüfung durch. „Ich war total gespannt auf das, was da kommt und es hat mir von Anfang an viel Freude bereitet.“ Allerdings beschloss sie, ihre Freude für sich zu behalten, denn lange hatte sie die Ausbildung vor Familie und Freunden geheim gehalten. „Nach all den beruflichen Umwegen hatte ich Angst, dass meine Familie mir Druck macht, es endlich durchzuziehen. Als ich kurz vor der Deutschmatura war, war die Nervosität dann doch zu groß und ich habe mich ‚geoutet‘.“ Womit die angehende Maturantin nicht gerechnet hatte – ihre Familie war positiv überrascht und stolz, dass sie diesen Schritt gewagt hat.

Der Abschluss

Die Prüfungen in Deutsch und Englisch hatte sie mit Bravour bestanden. „Mein persönliches Highlight war definitiv die Deutschmatura. Ich hatte einen großartigen Deutschlehrer. Die Probematura war ein Dreier, da war ich schon sehr zufrieden. Bei der richtigen Matura war es dann sogar ein Sehr Gut mit dem Feedback, dass ich alle überzeugt hatte.“ Doch die großen Herausforderungen sollten erst auf Johanna Legenstein zukommen – Mathe und der Fachbereich BWL. „Wenn ich etwas anders machen würde, dann die Reihenfolge der Fächer. Man sollte sich vorher überlegen, was einem gut liegt und die Fächer entsprechend abwechseln. Ich hatte dann Mathe und BWL parallel, das hat mich schon ziemlich an meine Grenzen gebracht.“, erzählt Legenstein. Zusätzlich dazu mussten die Kurse coronabedingt ins Distance Learning verlegt werden. „Ich saß in der Arbeit den ganzen Tag vorm Computer und musste mich am Abend aufraffen, mich nochmal vor den PC zu setzen. Aber was ich anfange, ziehe ich auch durch!“. Und so hat Legenstein auch die Mathematura und im zweiten Anlauf die BWL-Matura bestanden. Das Gefühl nach der bestandenen letzten Prüfung wird sie nie vergessen: „Als ich die Fragen für die mündliche Prüfung sah, bekam ich doch etwas Panik. Direkt nach der Prüfung musste ich dann noch lange zittern, bis ich endlich die Info bekommen habe, dass ich es geschafft habe. Es war ein unbeschreibliches Gefühl und ich habe richtig gemerkt, wie die große Last der letzten zwei Jahre abgefallen ist. Danach habe ich mir ein großes Bier gegönnt.“, lacht Legenstein.

Das Studium

Durch die Berufsreifeprüfung hat sie gemerkt, dass sich Arbeit und Ausbildung sehr gut vereinen lassen. Da sie in der Arbeit bereits Freude mit Rechtsakten und Co. hatte, war die Entscheidung für die Studienrichtung bald gefällt – inzwischen studiert sie Jus über ein Fernstudium in Linz.

„Jahrelang habe ich überlegt – habe ich die Zeit und Nerven für diese Prüfung? Es ist auch mit Kosten verbunden. Und bleibt noch genügend Zeit für Familie und Freunde? Aber ich bin so froh, dass ich mutig genug war, diesen Schritt zu gehen.“ Sie erzählt von einem anderen Teilnehmer, der mit 55 Jahren die Mathematura nachgeholt hat, um die nächste Gehaltsstufe zu erreichen. Ich kann nur allen empfehlen: Es ist wirklich nie zu spät anzufangen! Ich dachte immer, man muss mit 18 Jahren die Matura machen, danach studieren und dann Karriere machen, damit sich alles noch ausgeht. Aber das ist nicht so! Traut euch und macht es einfach!“

Titelbild: stockartstudio/stock.adobe.com