Am Bau hat sie den Blick fürs Ganze

Baumeisterin mit 26 Jahren. Anna Pitsch war eine der jüngsten Absolventinnen der Bauakademie Kärnten. Heute leitet sie ihr eigenes Planungsbüro in Klagenfurt und unterstützt zukünftige Eigenheimbesitzer beim Verwirklichen ihrer Wohnträume.

Manchmal ist der Ton auf Baustellen durchaus rauer. Material muss rechtzeitig geliefert werden. Verschiedenste Gewerke aufeinander abgestimmt werden. Gesetze, Normen, Kosten und Zeitplan eingehalten werden. Damit das alles auch wirklich klappt, braucht es eine Person, die den Überblick behält. Aber nicht nur das. Es braucht jemanden, der alles plant und organisiert – vom Bauplan bis hin zur Gartengestaltung. All diese Aufgaben übernimmt ein Baumeister oder eine Baumeisterin.

Anna Pitsch aus Klagenfurt ist eine davon. Bereits mit 26 Jahren absolvierte sie die Bauakademie und legte als jüngste Absolventin die Baumeisterprüfung ab. Seit eineinhalb Jahren ist sie mit ihrem AP-Planungsbüro selbstständig und begleitet Menschen auf dem Weg zu ihrem Traumhaus. Ein toller Job, der nur durch eine erstklassige Ausbildung möglich ist. Diese fand Anna Pitsch im WIFI Kärnten.

Schon als Kind auf der Baustelle

Baumeisterin wird man nicht einfach so. Dazu braucht es eine besondere Leidenschaft für den Beruf, jede Menge Durchhaltevermögen und auch eine dicke Haut. Denn der Ton auf Baustellen kann schon mal rau werden. Nach wie vor sind 90 Prozent aller Baumeister Männer. Auch in Kärnten gibt es nur wenige Baumeisterinnen.

Für diesen Beruf musst du einfach tough sein.

Schon von klein auf kannte sie das Leben auf Baustellen. Ihre Familie war im Baunebengewerbe tätig. Immer wieder fuhr Anna Pitsch mit ihrer Mutter auf die Baustelle mit. Außerdem hat sie zwei große Brüder. „Da muss man ein dickes Fell haben“, lacht Pitsch.

Nach dem Gymnasium studierte sie Architektur an der Fachhochschule in Spittal an der Drau. „Allerdings habe ich nur mit dem Bachelor abgeschlossen. Mein Vater wurde krank und ich sprang kurzfristig im Familienbetrieb ein. Nachdem mein Vater wieder gesund war, fing ich als technische Zeichnerin bei einer Baufirma an“, erzählt die junge Frau. Ihr damaliger Chef, heute ihr Mann, hat sie darin bestärkt, mehr aus sich zu machen und meinte zu ihr: „Du möchtest ja irgendwann selbstständig werden, mehr Befugnisse haben und mehr verdienen. Also, warum machst du nicht den Baumeister?“

Mit seiner Unterstützung meldete sie sich zum Baumeisterkurs am WIFI Kärnten an und ging eineinhalb Jahre lang immer freitags nach der Arbeit und samstags in den Kurs. „Ich wollte einfach mehr Perspektiven und irgendwann mein eigener Chef sein“, erzählt Pitsch über ihre Motivation.

Kein leichter Weg

Wer sich für den Baumeisterkurs anmeldet, muss sich auf eine herausfordernde Zeit einstellen. Denn gerade neben der Arbeit kann so eine intensive Ausbildung manchmal belastend sein. Schließlich geht es nicht nur im Hoch- und Tiefbau, sondern auch in Sachen Baukonstruktion, Baumanagement oder Rechtskunde ins Detail. „Die Prüfungen, vor allem die zweiwöchige Prüfung zu Modul 2, waren das Anstrengendste“, erzählt Pitsch. Doch seitens der Tainer gab es immer Unterstützung, selbst wenn die eigene Motivation einmal nachließ. So gab es zu Beginn noch mehr Teilnehmerinnen im Kurs. Am Ende war Anna Pitsch die einzige Frau. „Daran hat man schon gemerkt, dass es für Frauen in der Männerdomäne nicht leicht ist. Aber ich kann damit umgehen“, sagt Pitsch.

Lernen von den Besten

Das Weitergeben von Theorie ist das eine. Das andere ist das Praktische und Menschliche. Beides war im Baumeisterkurs gegeben. „Vor allem Hans Steiner konnte sehr gut das Gefühl vermitteln, was es wirklich bedeutet, ein Baumeister zu sein. Für die Teilnehmer war er immer zum richtigen Zeitpunkt da und hielt einen bei der Stange, auch wenn es manchmal schwierig war. Er hat uns immer wieder motiviert und übernahm die Rolle eines Vorbildes.“

Einige der Inhalte des Intensivlehrganges kannte Pitsch bereits von ihrem Architekturstudium, aber im WIFI wurden diese noch ein Stück praxisbezogener aufbereitet. Baueinschlägige Vorbildung und Erfahrung sind Voraussetzungen für den Besuch des Baumeisterkurses. „Ein guter Baumeister hat den Blick für das Ganze. Er kann vom Groben ins Detail denken, ohne sich aber im Detail zu verlieren. Das ist in diesem Beruf etwas sehr Wichtiges. Er macht aus vielen kleinen Puzzleteilen am Ende ein Ganzes“, erklärt Pitsch. Bei ihrer mündlichen Baumeisterprüfung war sie schon im dritten Monat mit ihrem ersten Sohn schwanger. Nach der ersten Karenz eröffnete sie ihr Planungsbüro.

Vielfältige Karrierewege

„Die Vorstellungen anderer Menschen oder das Gefühl, das andere Menschen haben, wenn sie an ihr neues Zuhause denken, bringe ich gerne zu Papier. Die Zusammenarbeit mit meinen Kunden macht mir viel Freude. Ich übernehme von der Visualisierung bis hin zur Projektentwicklung alles“, berichtet die Jungunternehmerin.

Was es heißt, unternehmerisch tätig zu sein, lernte sie von ihrem Vater, der sein Leben lang rund 50 Angestellte beschäftigte. Disziplin und Durchhaltevermögen sind durchaus sportlich beeinflusst. In ihrer Jugend war die heute 29jährige Profisportlerin und holte mehrfach mit dem Wildwasserkajak den Staatsmeistertitel. Gemäß ihrem Motto: „Es ist nichts unmöglich.“

Titelbild: Chlorophylle/stock.adobe.com